Glauben denken
Shownotes
In dieser Re-Start-Folge klären wir darüber auf, was wir mit dem Titel "Difference" alles verbinden:
- Eine Distanznahme zu dem, was wir schon gedacht haben.
- Perspektiven, Entwicklungen und Zusammenhänge, in denen das Christentum den Unterschied macht.
- Die Verrücktheit, die uns einholt, wenn wir mit der Bibel in die Welt blicken. Für viele ist der christliche Glaube nur ein Märchen. Sie misstrauen den biblischen Texten. Andere finden darin einen unbedingten Orientierungsrahmen und festen Halt für ihr Leben. Aber die Bibel und die Geschichten der Bibel können uns Menschen auch jenseits dieser beiden Pole berühren. Sie stimmen eine Gewissheit an, in der man frei leben und zuversichtlich handeln kann. Über diesen dritten Weg sprechen Frank und Stephan heute ausnahmsweise ohne Elio im Podcast.
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01/02/2024
Glauben denken
00: 00:01 Jingle
00: DIFFERENCE – Weil Glaube zu Denken gibt. Reformierte Perspektiven auf Gesellschaft, Kultur, Wissenschaft und Politik.
00: 00:12 Stephan
00: Ja, ganz herzlich willkommen zu DIFFERENCE, eigentlich ein Podcast, den es jetzt schon seit etwa sechs Monaten gibt, der jetzt aber ganz neu erfunden wird. Und Frank, das liegt unter anderem auch an dir, denn du hast bei unserem Jahresrückblick da kräftig mitgearbeitet, dass aus Difference was ganz neues entstehen kann.
00: 00:37 Frank
00: Ja, also das Wort Difference sagt es ja schon. Wenn ich über Difference oder Differenz nachdenke, dann fällt mir natürlich immer was anders ein, zu dem was ich schon gedacht habe, weil das macht ja die Differenz aus. Und dann kam mir diese Idee, wie Wie können wir eigentlich... der einen Seite versuchen unsere Sicht auf die Welt und natürlich auch auf Gott ins Spiel bringen und auf der anderen Seite aber gleichzeitig unsere eigenen unterschiedlichen Sichtweisen auch die Entwicklung auch meiner eigenen Sichtweise damit ins Spiel bringen. Also es wird gleich dann sehr komplex, wie das klingt, so ist es auch, aber für mich ist es eine Frage wahrscheinlich letztlich auch meiner eigenen Seriosität, dass ich sage, ich behaupte, also ich haue da mal so einen Text raus oder so ein paar Sätze und manchmal beeindrucken sie wahrscheinlich das Publikum mehr als mich selbst und dann habe ich häufig danach so ein Gefühl und denkt, naja, das war jetzt aber die halbe Wahrheit, die du erzählt hast, oder ich bin mir auch zum Beispiel, ich behaupte manches, wo ich mir eigentlich total unsicher bin. Und für mich sind das dann so Test Ballons und bei einem Podcast merke ich plötzlich, anders als bei einem Text, den ich dann noch mal lese und denke, naja, das kannst du mir doch nicht schreiben oder du gibst mir eine harsche Kritik und dann denke ich, ja, vielleicht denke ich noch mal drüber nach und bei Podcast steht das erst mal so. Und dann habe ich gedacht, wie kriege ich eigentlich diesen Prozess, den ich selbst im Denken mache, wie kann ich das abbilden, eigentlich auch im Gespräch?
00: 02:33 Stephan
00: Also es heißt Difference hier eigentlich mal so in einem Sinne auch zu sich selbst und seinem eigenen Text, der ja als Text immer so wahnsinnig fertig, perfekt abgeschlossen wirkt mal, auf Distanz gehen und den Selbstprüfen prüfen lassen, der Diskussion aussetzen. Ich habe Difference auch noch in einem ganz anderen Sinn mitgenommen für diese Podcast -Serie, die wir machen werden, weil ich muss ein bisschen ausholen. Es gibt so eine Art von Theologie, die mich wahnsinnig langweilt. Die Theologie geht etwa so, wir alle finden Demokratie gut und jetzt suchen wir irgendwelche Bibelstellen, die auch sagen, dass Demokratie gut ist, egal ob das in die Zeit passt, ob das irgendwas mit den Menschen damals zu tun hatte oder nicht, und sagen dann quasi so, ja, wir sind das Original, wir haben es erfunden, am Christentum ist die ganze Welt gewachsen quasi. Also so in einem alten Glanz sich sonnen, den man auch noch mit einer künstlichen Neonröhre herstellen muss. Und das, was mich aber interessiert an Christentum, und damit meine ich jetzt noch nicht mal christlichen Glauben, sondern wirklich an Christentum als etwas Kulturelles, ist, wo hat das einen solchen Unterschied gemacht, dass es mir heute nochmal etwas erschliessen kann, sodass ich es anders sehe, als ich es ohne Christentumbrille sehen würde?
00: 04:02 Frank
00: Ja, ich versuche mich gerade zu erinnern. Ich habe gestern Abend noch einen Vortrag gehalten, in dem ich Uli Lutz zitiert habe, der irgendwie so sinngemäß, ich hoffe ich kriege es auf die Reihe, über die Rezeption des nächsten Liebegebots gesprochen hat und gesagt hat, naja das hat nicht mal der Matthäus so ernst genommen, wie er den Jesus zitiert hat und danach sowieso nicht mehr und eigentlich die ganze Rezeptionsgeschichte würde sich dadurch auszeichnen, dass die Menschen zu ihrer Zeit immer die Nächstenliebe so eingeordnet haben in ihr eigenes Weltbild, dass es irgendwie passte, was natürlich dazu geführt hat, das ist so die Kritik von Uli Lutz gewesen, dass sie es eigentlich immer relativiert haben. Und da würde ich sagen, das ist dann wieder nochmal die Schraube eine Umdrehung weiter gedreht zu dem, was du eben gesagt hast also was welche perspektive oder welche andere perspektive ermöglicht das christentum wiederum aber gebrochen dass das christentum ja nicht so etwas ist wie wir eine lupe rausholen und sagen jetzt können wir genau drauf gucken sondern das prisma haben wir quasi selbst schon irgendwie eingestellt dass es günstiger ist für uns.
00: 05:22 Stephan
00: Ja gut ich Ich meine, das wäre der eine Fall, dass wir das Prisma so einstellen, dass es günstiger ist für uns. Ich glaube, was einem ziemlich schnell passieren kann, wenn man mit dieser Perspektive Christentum auf Dinge schaut und nicht schon immer meint, zu wissen, was man da sieht oder zu sehen bekommen sollte, ist, dass einem vielleicht ganz schummrig werden kann vor Augen. Ganz genau. Genau das meinte ich. Beispiel, das du gebracht hast. Das ist ja ein exzellentes Beispiel, weil die ganze Rezeptionsgeschichte sich eigentlich nur damit auseinandersetzt, wem jetzt diese nächsten Liebe nicht gelten muss. Also was ist der gerechte Krieg? Wer ist der Feind? Gibt es Reziprozitätsmomente, die darin wichtig sind? Kann man das über Schöpfungsordnungen sekundär wieder einholen etc. etc. Und eigentlich ist die ganze Story, wo diese nächsten Liebe Geschichte erzählt wird, ja eigentlich eine Geschichte in der dieser Rabbi Jesus alle damit verblüfft, dass er sagt, naja die Frage ist nicht wer dein Nächster ist, sondern wie es dir gelingen kann einen zu deinem Nächsten zu machen, oder? Genau. Und plötzlich verschwimmt dir alles und du merkst, du kannst keine Kriteriologie damit haben.
00: 06:38 Frank
00: Was ich dann aber wiederum jetzt mal positiv in die Waagschale geworfen, an dieser Christentumsperspektive total spannend finde. Also vielleicht gibt es noch philosophische Perspektive. Das klammere ich jetzt mal aus. Aber ich würde sagen, es gibt eigentlich in gesellschaftspolitischen Kontexten überhaupt keinen vernünftigen Grund an den eigenen Positionen zu zweifeln. Warum sollte man das tun? Man sollte sie versuchen durchzusetzen, wenn man davon überzeugt ist. Wenn ich aber, sage ich, eine biblische Perspektive nehme, dann bin ich erstmal in diesem gleichen Schema drin, auch in der gleichen Interessenlage, aber ich kann natürlich, wenn ich mir anschaue, wie Menschen das in der Vergangenheit betrachtet und bedeutet haben, mir die Frage stellen, ist meine Position die einzig mögliche oder gibt es vielleicht gute Gründe, eine mir fremde Position zu beziehen. Quasi, es ist vielleicht ein bisschen, oder ich würde sogar sagen es ist vielleicht ein Taschenspielertrick oder ein hämenotischer Trick zu sagen okay ich beziehe eine Perspektive mit ein die erstmal dezidiert nicht meine ist und schaue aber ob sie mir etwas sagen kann und was mich dann und da würde ich sagen ist wirklich der Unterschied was das Gewicht dieser anderen Perspektive ausmacht ist dass ich nicht einen Roman oder das Telefonbuch lese, sondern mir die Bibel anschaut, zu der ich einen besonderen Bezug habe und deshalb das, was ich dort lese, für mich eine Relevanz hat und zumindest einen Anspruch in mir selbst erzeugt, über meine gut begründeten Überzeugungen noch einmal nachzudenken.
00: 08:31 Stephan
00: Ja, und der Text steht ja dann nicht alleine, sondern ist wiederum eigentlich in einem Kontext einer riesigen Auslegungsgeschichte meistens, wo man auch nochmal schauen kann, wie haben sich denn alle vor mir geirrt und was davon könnte ich wiederholen oder weglassen?
00: 08:50 Frank
00: Ja, das ist das Interessante, dass dort die üblichen Kategorien eigentlich, also das ist eine Selbstbeobachtung, nicht funktionieren. Ich finde vieles, was von der kirchlichen Tradition, aus der theologischen Tradition gesagt wird, finde ich abscheulich. Wie können die Leute so gedacht haben? Und ich denke das und gleichzeitig sage ich, oh das ist ja total interessant. Ja, ja, ja. Diese Spannung, die ich im normalen, im Alltagsleben überhaupt nicht aushalten würde, da will ich eine klare Position haben, die aber dort plötzlich möglich ist und ich finde sie nicht mal anstrengend, sondern ich finde sie hochspannend. Das ist vielleicht ein dritter Aspekt von Difference, dass man sagen kann, es gibt eine Spannung die das Ganze so zusammenhält, dass man nicht von einem Bruch oder von einem Widerstand oder von einem Abbruch sprechen müsste, sondern dass es eine Differenz ist, die quasi dynamisch bleibt. Ganz genau. Und es ist eine Ambivalenz oder Ambiguität, die ich nicht belastend empfinde, sondern im Gegenteil, als Chance.
00: 09:57 Stephan
00: Und das ist ja das Helden im Leben, wo du sagst, ok, darauf bin ich reduziert oder darauf muss ich mich immer beziehen, sondern du findest dich schon vor als einer, der sich darauf bezieht und das sogar gerne tut, oder? Genau. Ja, das ist eine tolle Ausgangslage, aber ich fürchte, wir sind noch ein bisschen abstrakt. Also wir haben jetzt drei Begriffe von Difference. Das eine wäre mal auf sich selbst, also zu sich selbst auf Distanz gehen, dann das Zweite vielleicht etwas noch mal ganz anders zu sehen bekommen, durch eine hermeneutische Voreinstellung, durch einen anderen Text, und dann so etwas, was vielleicht schon fast so in Richtung kritische Verbundenheit oder Loyalität, Loyalität ist mir fast schon zu stark, aber sowas wie eine kritische Angebundenheit an diese Texte und ihre Traditionen geht, die überhaupt diese Spannung lebendig halten. Aber was trägt jetzt sowas aus, wenn wir über wichtige Gegenwartsthemen wie künstliche Intelligenz zum Beispiel sprechen würden oder über die Frage, wie könnte man menschenwürdig Migration denken etc.? Was tragen diese Perspektiven eigentlich aus? Was machen Sie damit?
00: 11:17 Frank
00: Also ich kann das, oder das Einfachste ist natürlich, wenn ich das ganz persönlich sage, was mein Erleben ist, wenn ich mit biblischen Texten oder theologischen Traditionen umgehe. Ich erlebe das für mich persönlich als eine Freiheit. Und zwar erstmal die Freiheit, dass ich sehe, ich kann bestimmte Themen aus ganz unterschiedlichen Perspektiven anschauen und sie haben erstmal für mich grundsätzlich die gleiche Berechtigung, auch wenn ich etwas überhaupt nicht verstehe oder vielleicht auch absurd finde, vielleicht auch abscheulich finde. würde ich sagen okay ich kann mir aber durchaus vorstellen eine solche warum menschen eine solche position beziehen das heißt ich selber und das ist vielleicht das spannende weil um es in dem bild zu sagen wenn ich sage die bibel und vor allen Dingen die Botschaft der archimedische Punkt dann brauche ich mich selber um meinen nicht mehr kümmern den ich sowieso nicht haben kann aber nicht diesen archimedischen Punkt suchen zu müssen weil er so reformatorisch gesprochen extra nos ist also außerhalb von uns muss ich mich mit der Frage nicht befassen sondern kann wirklich ins Wasser springen und rumschwimmen
00: 12:54 Stephan
00: Jetzt könnte man ja vielleicht auch den berechtigten Einwand dagegen erheben und sagen ja aber warum wählst du jetzt einfach diesen Punkt ist das pure Dezisionismus liegt das an deinem Arbeitgeber gibt es gibt es gute Gründe die Bibel als so einen Punkt zu wählen? Also bei mir ist das ganz klar also ich glaube das was in der Bibel steht. Was heisst das, Frank? Das musst du vielleicht mal erklären. Ich habe einen Interview -Podcast gehört mit Sabine Rückert. Das ist eine der beiden Schwestern. Sie macht mit Johanna Haberer zusammen diesen Pfarrerstöchter -Podcast. Da gehen sie durch die ganze Bibel. Da hat Sabine Rückert gesagt ja also das glaube ich alles nicht mehr das ist alles ein riesen Erfindung eine etwas was sich jemand ausgedacht hat jetzt sagst du ja ich ich glaube an das was da steht und wahrscheinlich meinst du aber nicht das selbe woran Sabine Rückert nicht mehr glaubt oder
00: 14:07 Frank
00: genau also mir geht es nicht um irgendwelche Propositionen ja also gab sie Jungfrauengeburt alles das worüber wir im 19. Jahrhundert ausgiebig in der Schweiz gestritten haben und dann unser Kirchenverständnis nochmal sehr reformiert haben, sondern mir geht es um, ich finde Wittgenstein hat da einen sehr schönen Ausdruck gehabt, eine untrübliche Gewissheit. Und die Gewissheit, beziehungsweise das hat ja was mit dem Begriff auch der Gewissheit und der Vorstellung von Gewissheit zu tun, dass sie ohne Begründung auskommt sobald ich mit Begründungen anfangen könnte könnte oder ob das Bedürfnis habe Gründe dafür zu suchen wäre diese Gewissheit ja schon in Frage gestellt und ich kann es eigentlich nicht sagen ich kann nur sagen ich habe sie es drückt sich aus ich kann es eher so an Symptomen beschreiben es drückt sich aus dass ich im Grunde genommen sehr positiv auf Zukunft gepolt bin, wobei ich die Zukunft total kritisch sehe, wenn ich schaue was überhaupt mit läuft, aber also ich kann da, ich kann da eine rationale Kritik und auch ich habe da auch Befürchtungen und gleichzeitig wenn ich so auf mein Leben gucke und wie ich da emotional mit umgehe, haut mich das nicht aus den Socken.
00: 15:35 Stephan
00: Okay, also ein Sichersein, das sich nicht auf die empirische Datenlage bezieht.
00: 15:44 Frank
00: Nicht mal auf mein Denken. Ich bin völlig idiotisch, weil mein Lebensgefühl widerspricht meinem Denken derart.
00: 15:54 Stephan
00: Das ist ja eine Krise, die dann sehr viele Menschen erleben, die aus einer ersten Naivität rausfallen und merken, naja, vielleicht wurde da nie ein Turm in Babel gebaut. Vielleicht waren da keine Mauern vor Jericho. Vielleicht hatte David keine Steinschleuder. Wenn solche Fragen aufkommen, das kann ja eine erste Erschütterung sein und die kann ja etwas, was eine Gewissheit war, auch ins Wanken bringen. Ich meine Gewissheit in dem Sinne, dass ja die meisten nicht ernsthaft verteidigen möchten, dass da Mauern waren vor Jericho, sondern sie haben das einfach so angenommen, weil sie das so gehört und gelesen und vielleicht sogar gesungen haben. Und jetzt gerät das ins Wanken. Dann kommt die Frage, ja, aber was stimmt denn noch? Und die Frage nach dem, was denn noch stimmt und nach dem, was bleibt, Die kann eine ungeheure Dynamik entfalten, die fast alles auffrisst von dem was man war. Man kann das Wohlwollen, Rekonstruktion und wieder Rekonstruktion etc. nennen. Man kann aber auch sagen, da wird alles zermalmt, alles zertrümmert, was Menschen glauben.
00: 17:13 Frank
00: Ja, für mich ist eigentlich der entscheidende Punkt noch ein bisschen an einer anderen Stelle. vielleicht hast du das auch gemeint ich frage mich oder die frage die ich mir immer stelle ist was was macht den unterschied dass ich diese geschichte für wahr halte oder davon überzeugt bin oder weiß ich nicht was und was würde das gegenteil bewirken und ich stelle bei mir ich kann das eigentlich gar nicht erklären ich bin dazu nah an mir selbst dran Ich sage, das ist mir eigentlich wurscht, ob die Mauern da wirklich zusammengebrochen sind oder nicht, weil für mich an der Frage, sie sind tatsächlich zusammen oder beziehungsweise an der Behauptung, sie sind tatsächlich zusammengebrochen oder an der gegenteiligen Behauptung macht sich für mich nichts fest, jedenfalls nichts, was in irgendeiner Weise korreliert mit der Art und Weise, ob ich glaube, wie ich glaube, mein natürlich zweifle ich, ja ich zweifle genau wie jeder andere Mensch, wobei ich immer das umdrehen würde, auch wieder im Wittgenstein -Sinne, Zweifel kann es nur geben, wenn eine Gewissheit da ist. Woran sollte ich sonst zweifeln? Aber das ist für mich ist Zweifel wirklich etwas sehr konstruktives und ich finde ich bin da glaube ich ein bisschen anachronistisch weil ich denke in dem oder in dem Moment und daran woran ich zweifle ist für mich hat für mich immer was bestärkendes. Ich denke immer ich das kann ich mir auch leisten.
00: 18:59 Stephan
00: Okay, also das heisst Glaube selbst ist dann eigentlich wieder etwas hoffnungsproduktives, also der Zweifel am Glaube selbst ist etwas hoffnungsproduktives.
00: 19:07 Frank
00: Ja, weil Zweifel eröffnet für mich immer Horizonte.
00: 19:12 Stephan
00: Spannend. Ich kenne das im Rückblick, dass ich das auch sagen könnte. In der Situation selbst hat es sich für mich oft nicht so angefühlt. Und fühlt sich auch heute nicht so an. Und ich gehe ganz weit mit dem, was du sagst, dass ob jetzt etwas passiert ist oder nicht passiert ist, das nimmt an meinem Glauben wenig. Und doch haben wir ja dann solche Bibelstellen wie, also wenn der nicht gekreuzigt gestorben und auferstanden ist, dann ist dieser Glaube leer. Und irgendwo muss es den Gekreuzigten und den Auferstandenen in irgendeiner Art und Weise gegeben haben. jetzt fürchte ich ein bisschen dass wir beide etwas fromme Pietisten sind und sagen ja also den gekreuzigten und auch erkannten den gibt es den können wir euch aber nicht zeigen weil es tief in unseren Herzen drin wahrscheinlich oder ja sind auch in der Geschichte
00: 20:11 Frank
00: in der Geschichte gibt es ihn ich würde sagen in der Geschichte hatte eine andere Rolle also in der geschichte ist er der totale irrsinn der jeder logik widerspricht und und was ich da wiederum attraktiv finde ist das hat sich mal einer getraut es hat mal sich einer getraut diese ganze logik der geschichte auch im grunde genommen ja auch der anthropologie er straft ja alles lügen und bürstet alles gegen den Strich und man macht das im Grunde genommen mit der allergrößten Selbstverständlichkeit. Und ich finde nicht, also gut es gibt ja diese starken Deutungstraditionen, die Jesus als Revolutionär, als Sozialrevolutionär und so weiter, da alles geschenkt. Aber das finde ich ist gar nicht die Pointe. Die Pointe ist, dass da einer seine Verrücktheit ernst genommen hat.
00: 21:14 Stephan
00: Ja, und einer sein Leben dem gewidmet hat, über diese Verrücktheit nachzudenken. Ganz genau. Und davon zehren wir ja dann letztlich. Ich glaube tatsächlich auch, dass die Frage nach einem Jesus in der Geschichte letztendlich eigentlich nur auf zwei Arten beantwortet werden kann. Das eine wäre das platte Nein, hat's so nicht gegeben. Das ist sicher keine falsche Antwort, aber sie ist nicht interessant. Genau. Die viel spannendere Antwort fände ich, naja, lasst uns mal schauen, was aus Geschichte wird, wenn wir das voraussetzen. Richtig. Und der Gekreuzigte wieder auferstanden ist.
00: 21:56 Frank
00: Genau, und im Grunde genommen, wenn wir uns jetzt die Theologie und die Kirchengeschichte anschauen, prekär wurde es immer dann, wenn die Kirche oder auch die Theologie versucht hat den irgendwie dem irgendwie so ein realitätssinn einzuhauchen der ihren interessen entsprach. ja genau. und für mich ist das spannende eigentlich das dass wir im zweiten testament die erzählung von diesem jesus finden der sich eigentlich für nichts vereinnahmen lässt also du kannst ja immer für alles verwenden und auch sofort gegen alles verwenden
00: 22:43 Stephan
00: stimmt und kaum geht aber dann die kirchengeschichte los ich meine jetzt die apostelgeschichte natürlich passiert sofort die instrumentalisierung der der figur und der perspektive und dieser geschichte oder
00: 22:57 Frank
00: genau im grunde genommen ist es ja völlig verrückt wenn man sich überlegt da ist ein typ der im grunde genommen, heute würde ich sagen, differenzsensibel war. Für den eben alle sozialen Kategorien irgendwie nicht gegolten haben, aber auch für ihn selbst nicht. Er hat irgendwie komisches Zeug gemacht und sobald diese institutionalisierte Kirche auftaucht, wird er zum Differenzkriterium, Werden von ihm irgendwelche Maßstäber abgeleitet, wo dann unendlich viele Menschen für ans Kreuz geschlagen wurden oder den Kopf kürzer gemacht wurden? Wurde eine Moral daraus? Ich meine, es gibt in der Weltgeschichte für mich keine amoralischere Person als dieser Jesus.
00: 23:49 Stephan
00: Mindestens, ganz gewiss, kein Prototyp für ein moralisches Vorbild. Genau. Und zwar gerade deswegen, weil er ja nie etwas aus Moral tut. Also er tut es ja nie um der Moral willen. Genau, genau. Also der verweist im Zweifel dann immer auf Gott im Himmel.
00: 24:11 Frank
00: Ja, richtig. Und dann widerspricht er sich auf so eine geniale Weise. Also er macht dann erst diese Bergpriege, wo er dann die Feindesliebe und alles mögliche erzählt, was wir so als Moral rezipieren. Und dann ist er im Garten Gethsemane und sagt dann auch dem Jünger, der ihn verteidigen will, nee, lass das mal bleiben und dann begründet er sein Verhalten eben sich nicht zu verteidigen, nicht damit, dass er sagt, erinnerst du dich nicht, ich hab dir doch vor kurzem noch die Bergpräge erzählt, du warst noch dabei, sondern er erzählt groß, ja, ich könnte meinen Vater bitten und er würde Legionen von Engeln schicken oder die zweite Begründung ist, naja die Schriften muss ich halt erfüllen, da ist überhaupt nichts von Pazifismus und feines Liebe und man denkt, Junge du hast alles vergessen was du noch vor paar Wochen erzählt hast und das hat für ihn die größte Selbstverständlichkeit.
00: 25:04 Stephan
00: Mir ist das an einem anderen Beispiel aufgefallen, was mich wirklich umgehauen hat, weil es eigentlich so klar ist, aber mir nicht klar war. Ich hatte immer das Gefühl, naja das geistige Leben muss eine große Rolle gespielt haben unter Jesus und seinen Jüngern. Aber wenn man sich das mal anschaut, eigentlich nicht. Also der schickt mal zunächst diese zwölf Jünger los, dann schliessen sich da noch weitere 50 an und die haben einfach einen Job und das ist, geht mal raus und heilt die Leute. Also eigentlich so Medizinmänner werden rausgeschickt. Und viel, viel später wundern sich dann diese Jünger, dass ihr Meister die ganze Zeit so im Gebet verharrt und wollen dann auch mal wissen was das ist und er macht aber überhaupt keine große Sache draus sondern spricht diese paar Verse die wir kennen vom Unser Vater.
00: 25:55 Frank
00: Genau und da bin ich wieder bei unserem wir kommen ja immer schnell ganz so auf die Äste raus aber bei Difference und das Spannende dieser dieser Jesus ist doch genau in dem Moment wird er spannend wo ich ihn einfach mal ernst nehme was da steht nicht indem ich anfange und sage ja das haben die damals so verstanden und da gab es eine menge wunderheiler und wir wissen das alles gut was auch kulturgeschichtlich und so weiter ablief sondern im grunde genommen erst mal ganz naiv ranzugehen und zu sagen okay ich nehme das mal ernst und guck mal an was was könnte das bedeuten wenn dieser mensch tatsächlich so mit diesem anspruch und das was er erzählt hat und was er getan hat und so weiter wenn der da wäre das macht es doch spannend das ist macht den unterschied
00: 26:45 Stephan
00: ja genau und und es wirft noch mal ein ganz anderes licht dann auch auf das was glauben ist oder weil jesus und seine bewegung die gehen ja gerade nicht hin und berg predigt ist ein sehr kleiner teil und der ist eigentlich voller lebenspraktischer ratschläge wenn man so will also ist Ratgeberliteratur, die sehr rigid ist, also so Jordan Peterson für die frommen Juden im Jahr Null. Aber das, was doch faszinierend ist, ist, dass ihm die Gabe zugeschrieben wird, dass er immer das jeweils größte Problem, das ein Mensch, der zu ihm kommt, hat, löst, und zwar durch seine Präsenz. Erst dann sagt er noch, woher er die Kraft hat und was er da eigentlich tut, damit keine Missverständnisse auftauchen. Aber eigentlich ist es darum nur am Rande gegangen. Ich glaube, das Hauptthema des Leben Jesu, wenn man so will, das ist ja immer diese Vorbildchristologie, das Leben Jesu. Ich glaube, wenn es da eine Hauptsache gibt dann liegt die eher im bereich heilung als im bereich verkündigung
00: 27:58 Frank
00: ja ja und dann eben was diesen aspekt den du auch kurz genannt hast dieser zugehörigkeit also im grunde genommen er hatte ja schon was asoziales also wenn er wenn er irgendwie erzählt man sollte seine family verlassen und ihm nachfolgen und gleichzeitig aber er auch war er irgendwie besonders, hatte er ein besonders Verantwortungsgefühl für seine Jünger? Nicht unbedingt. Nicht unbedingt, sondern er fand dann eher, wenn die Jünger sich menschlich gezeigt haben, sie sollten nicht so kleingläubig sein, dann ist das alles ein bisschen abgetan und das Interessante ist ja selbst diese, das ist ja auch für die Aktualität ein interessanter ein interessanter gedanke dass selbst dieser paulus der das wissen wir auch aus seinen selbstbeschreibungen irgendwie ein bisschen crazy war dass er ja sich für für diesen christusglauben enorm eingesetzt hat und dann plötzlich aber sagt er war immer stolz ein jude zu sein und diese eigenartige ich glaube es fängt damit an wo wir wo wir gesagt haben wir okay wir machen mal eine religion draus also die generation vor uns da ging schon irgendwas höllisch schief weil im grunde genommen wie kriegt man den paulus eigentlich da unter also der paulus gilt als der große apostel auf den sich neben petrus ja die ganze kirche in besonderer weise beruft auch gerade eine patriarchale kirche ich meine paulus war gut patriarchal er passte in das konzept und auf der anderen seite sagt er ich bin stolz ich bin immer Jude gewesen. Ich bin stolz darauf.
00: 29:48 Stephan
00: Ja, ich meine, das Verrückte ist, sobald wir eine Religion daraus gemacht haben, spielen Orientierungsfragen, Identitätsfragen eine ganz, ganz wichtige Rolle. Wer ist drin? Wer ist draußen? Was wird geglaubt? Was soll nicht geglaubt werden? Wobei eigentlich die Erzählungen der Evangelien und die Briefe des Paulus gerade beides immer wieder durchstreichen. Also nein, du hast keine Identität hier, also es ist keine bleibende Stadt hier, quasi, oder? Und Orientierung gibt es schon gar nicht. Genau. Orientierung kriegst du nicht. Du kriegst sowas wie ein Grundvertrauen, Instabilität und Ungewisses auszuhalten, aber Orientierung gibt es da nicht zu holen, bei beiden nicht, oder?
00: 30:40 Frank
00: Also mir ist das jetzt in der letzten Zeit noch aufgefallen, weil ich so ein bisschen über Sicherheit und Freiheit hatte ich irgendwie ein Thema, wo ich ein bisschen drüber nachgedacht habe. Und dann bin ich erst mal auf die Nase gegangen und habe festgestellt, den Sicherheitsbegriff, den gibt es ja eigentlich gar nicht. Also in der Bibel, es gibt 47 Mal in der Zürcher Bibel taucht der Begriff Sicherheit auf. Wenn man mal genau hinguckt, wo jetzt auf Neudeutsch Sicherheit eingesetzt wurde, geht es um ganz andere Dinge. Das heißt, eine Kategorie, die für uns enorm wichtig ist und ich will, um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen, ich will das überhaupt nicht klein machen, aber das Spannende ist, wieso ist für uns Sicherheit so wichtig? Wenn ich gucke in die in die theologische und biblische Tradition, was war da eigentlich so ein Äquivalent oder wovon haben die gesprochen? Mal davon abgesehen, dass ihr Leben so was von unsicher war, dass dass es schon fast blasphemisch gewesen wäre von Sicherheit zu reden, die haben so einen Begriff wie Trost gehabt. Trost stimmt ja. Und da finde ich wieder Difference. Wann und aus welchen Gründen haben wir von Trost auf Sicherheit umgestellt?
00: 31:56 Stephan
00: Oder von, ich meine diese Kodierung könnte man ja weiterziehen Also, Trost und Sicherheit, aber irgendwo ja auch von Rechtfertigung, also dem, was mir passiv geschieht, zu einem Recht, das man hat und das man einlösen kann, also diese ganzen aktiv -passiv -Verhältnisse, die umgekehrt werden. Also, Sicherheit ist etwas, was ich mir verschaffe, Trost ist etwas, was mir widerfährt, Rechtfertigung ist etwas was mir widerfährt recht haben und mich ins recht setzen das ist das was ich tue
00: 32:34 Frank
00: ja und und da würde ich sagen habe ich so meine oder setzt meine kritik an jetzt gegenüber einer traditionellen auch sowohl theologie als auch kirchlichen auffassung die dann immer ganz schnell kommen und wollen jetzt am begriff trost sicherheit festgemacht den leuten ausreden dass sie Sicherheit brauchen sondern sie sollen mal auf Trost setzen und ich finde das ist nicht das Spannende das ist langweilig das kann man glauben oder nicht glauben das Spannende und das herausfordern wirklich und das entspricht glaube ich unserer Gegenwart ist wie kann ich wie kann ich beides zur Geltung bringen und nicht gegeneinander ausspielen das eine ist schlecht weil es menschlich ist und das andere kommt von Gott und es ist deshalb gut.
00: 33:21 Stephan
00: Ich glaube du triffst damit wirklich genau den Kern wie man Gegenwart im Moment beschreiben kann dass man immer beides haben will. Wir wollen die Urlaubsreise und wir wollen das Klima retten. Wir wollen die Freiheit haben, Snacks zu essen, wo wir gerade sind, aber wir wollen uns auch bewusst ernähren und am besten vegan. Das zieht sich durch ganz, ganz, ganz viele Lebensbereiche. Wir wollen die Sicherheit einer Paarbeziehung, aber wir wollen auch die Freiheit und das Abenteuer, das im Ausbruch von einer solchen Beziehung liegen kann und diese Ambivalenz müssen wir heute vielleicht weniger auflösen oder kaschieren, sondern dürfen sie ausdrücken.
00: 34:10 Frank
00: Genau und das finde ich ist eine fantastische Chance, aber sie ist einfach auch anstrengend.
00: 34:16 Stephan
00: Also es ist mega anstrengend, aber es würde, wenn wir es jetzt mit dem Trost und Sicherheit Beispiel weiter würde es heißen, der Trost gilt eben gerade den Sicherheitsbedürftigen, die Gerechtigkeit gilt den Gerechtfertigten, die nichts dazu tun konnten, diese Gerechtigkeit zu erlangen. Und dann macht plötzlich auch Erstehung Sinn, weil du dann sagen kannst, das ewige Leben gilt denen, die sterben. Ja, das stimmt. Ja, jetzt haben wir uns doch schon mal ganz schön warm geplappert. Wir werden das jetzt zweimal monatlich tun, aber dann mit ganz handfesten Texten und Themen, die ihr immer auch verlinkt bei unseren Podcast -Folgen findet. Ihr findet alles, wie immer, auf www.evrefblog.ch. Ihr findet uns auf Instagram, auf Facebook und neuerdings sogar auf LinkedIn. Da haben wir aber noch ganz, ganz wenige, die uns folgen. Also wenn du auch auf LinkedIn bist, dann gerne uns da dazufügen, damit wir einander sehen können. Und dann wünschen wir euch, die bis am Schluss durchgehalten haben und diesen wirren und irren Gedankengängen, die wir zum Teil rekonstruiert und zum Teil vielleicht gerade hier geboren haben und gefolgt sind. Ganz gute und gefüllte Zeit. Tschüss zusammen. Tschüss.
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